A n tn e rk ungen 1 Alexandri Alensi* Somma universae Theologiae, Auag. Lyon 1515/16, pan III, quaestio TO, membrum 4, eolutlo. * A. a. O. und Alexander» Summa Theologica, Au eg. Quaracchi, Band II. m. 408, eolutlo. * Bemardu», De gratia et libero arbitrio, c. 11. n. 30 (PL 182, 1020). * Auag. Lyon, p. III. q. 70. m. 4. eoL * Au*. Lyon, p. IV. q. 72, tn. 3. a. 1. * * Quaracchi, 1. η. 231. * Quaracchi, I. n. 231 ad 1. ' Quaracchi, I. n. 224 ad 3. * Quaracchi, I. n. 236 respondeo und I. n. 234 reap. Vgl. dazu die Lettre dec Kirche: „... fidenter fatemur ... in electione tamen salvandorum misericordiam Del praecedere meritum bonum, in damnatione autem periturorum meritum malum praecedere luatum Del indicium'* (Dens 322). * Quaracchi, I. n. 508 sol. *· A. a. O. 11 Quaracchi, I. n. 231 resp. ** Lyon, p. III. q. GO. m. 5. a. 3. sol. ·· Quaracchi, I. n. 231 ad 3. ** Quaracchi, I. n. 273 II ad 4. *· Quaracchi, I. η. 2Ï4 resp. “ Quaracchi, I. n. 222 reap. ” Quaracchi, I. n. 230 ad 1. ** Quaracchi, I. n. 171 ad 1. *· Quaracchi, I. n_ 171 ad 4. “ Vgl. StetrmtOer, Artikel Mollniamus, In: Lexlkon ftir Théologie und Kirche, Bd. Vll.Spalte 262 f. *' Quaracchi, I. n. 222 reap, und I. n. 224 reap. ·· Quaracchi, I. n. 228 ad 5. ·’ Quaracchi, II. n. 505 resp. ’· A. a. O. “ Seheeben, Die Myeterien des Chrlstentums, 3. Aufl. S. 194. ·· Vgl. Orabmann, Artikel Thomlamus, In: Lexlkon filr Theologis und Kirche, Bd. X, Spalte 140 ff. ·' Quaracchi, II. n. 408 eoi. ’· VgL SleinbOchel. r.u Thomismus und MoUnlsmus, in: Die phlloaopblsche Grundlegung der kathollschen Slttenlehre, I, S. 368 ft. 54 & DAS WESEN DER RELIGIO UND IHRE STELLUNG IM TUGENDSYSTEM NACH DEM HEILIGEN THOMAS VON AQUIN Von Richard Egentor, Die Begriffe religio und devotio in der Scholastik und im modemen Sprachk;'·· gebrauch decken sich nicht. Unter Religion oder Religiositât verstehen wir ■ heute die auf bestimmten Wahrheits- bzw. Glaubensgehalten grundende, in bestimmter Weise ausgepragte Frommigkeit eines Menschen oder einer Menschengruppe. Auch beim Begriffe der devotio denken wir an eine um· u. fassende Frômmigkeitshaltung (vgl. „devotio modema"). Für Thomas von P Aquin bedeutet die religio die dem Kult Gottes zugeordnete Tugend, deren primare Auswirkung die devotio ist. Das, was wir heute für den Kern der Religiositât halten, die personale Gottbegegnung, schreibt er den theolo►£. gischen Tugenden zu. F ‘ Es geht hier nicht um die terminologische Frage, sondern um das Problem, ob die thomistische Fassung und Einordnung der religio, die von der moraltheologischen Tradition übernommen wurde, den religiosen Tatbestünden gerecht wird, die von einem christlichen Tugendsystem erfafit werden k:., müssen. ' Wir glauben, daB das für die ausdrückliche Lehre des Aquinaten zu verneinen ist, daB aber seine Anschauungen implicite zum mindesten die Ansàtze zu einer vollen Würdigung dieser Tatbestande enthalten. A. Die Lehre des hl. Thomas von der Religio. Für den hl. Thomas ist die religio die Tugend, durch die wir Gott die schuldige Ehre erweisen (2 II 81, 2 und offer). Diese Ehrfurcht und Ehre zollen L ,-wir Gott als dem Schôpfer und Erhalter der Welt (2 II 81, 3). Dabei ist K aber Gott nicht Gegenstand, sondern Ziel der religio, Objekt dieser Tugend IF. ist ailes das, was der Mensch Gott darbietet, indem er ihn verehrt (Q. disp. ; de virt, I 12 ad 11). Das Motiv dieses Ehrerweises ist die überragende L Würde (excellentia) Gottes. Weil letztere einzigartig ist, darum gebührt. K Gott auch eine spezielle Ehre ; also ist die religio eine von anderen verF' schiedene Tugend (2 II 8r, 4). — Die pr^gnantere Fassung von religio als I·/’ Lebensform der Ordensleute, die sich in besonderer Weise dem Dienste λ Gottes geweiht haben (2 II 8i, 1 ad 5), kann hier unberücksichtigt bleiben. pjWenn nun der Tugendcharakter der religio nâher bestimmt werden soil, "■· so ist zunâchst die Ansicht des Aquinaten wichtig, daB die religio keine u- theologische, sondern eine sittliche Tugend ist. Er erklàrt das folgender■h·; maBen: Wenn die religio Golt den schuldigen Kult erweist, so ist dabei zu ? unterscheiden : Gott, dem sie den Kult erweist, und das, was sie Gott er- < 66 ft ft Λ’ £ & 'j · y!* ft’· ft> I* weist, der Kult. Letzterer ist die Materie und das Objekt der religio. Durch diese Kultakte findet kein attingere Deum ipsum, wie das etwa beim Glauben der Fall ist, statt, wir würden heute sagen, es erfolgt kein Akt personaler Begegnung mit Gott, keine Wertantwort auf den Personwert Gottes. Es wird Gott vielmehr der geschuldete Kult geboten, insofern diese Kultakte als Ehrerweis gegen Gott (in reverentiam Dei) geschehen. Weil sich also Gott zur religio nicht wie die Materie oder das Objekt, sondern wie das Ziel verhalt, darum ist die religio nicht eine theologische Tugend, bei der das letzte Ziel eigentliches Objekt ist, sondern eine sittliche Tugend, die sich auf das richtet, was dem Ziel dient, was ad finem ist (2 II 81, 5; vgl. Q. disp, de virt I 12 ad 11). Der Standort der religio als virtus moralis ist im Bereich der Kardinaltugend der Gerechtigkeit, mit der sie nicht vollig zusammenfàllt, weil sie wohl Gott ein debitum entrichtet, aber nicht sec. aequalitatem (2 II 80, 1); es kann bier hochstens von einer relativen Angcmessenheit der Leistung die Rede sein unter Beriicksichtigung dessen, was der Mensch iiberhaupt zu leisten Vermag und was Gott gnadig annehmen will (2 II 81, 5 ad 3). Die christliche religio ist eine virtus caritate formata. Sie gründet in der caritas als ihrem Prinzip (2 II 82, 2 ad 1). Wenn so die Gottesliebe mittelbar durch die religio die Kultakte verursacht, so wird sie andererseits auch durch die Akte der religio genàhrt (2 II 82, 2 ad 2). Wâhrend die religio der Gottesliebe untergeordnet ist, nimmt sie unter den sittlichen Tugenden selbst eine Vorrangstellungein ; denn sie nàhert sich in den Kultakten Gott mehr als die anderen sittlichen Tugenden (2 II 81, 6). In ihrem Verhaltnis zu den Akten der andcrcn sittlichen Tugenden kann sie sowohl eine virtus specialis wie generalis genannt werden ; letztercs, weil sie die anderen Tugendakte auf die divina reverentia hinordnet. In Analogie zur caritas laBt sich also die religio als eine religiose forma virtu­ tum bezeichnen. Insofern sie aber nicht nur actus imperati besitzt, durch die sie den Akten anderer Tugenden eine kultische Bestimmung gibt, sondern auch actus eliciti, Akte, die ihr selbst eigen sind, wier das Gebet oder Opfer, ist sie spezielle Tugend (2 II 81, 1 ad 1). Zu den Akten der religio gehôren 1. die geistigen, auf Gott gerichteten Akte, 2. korperliche Akte, die auf diese geistigen Akte bezogen sind als Bezeugung derselben, 3. Akte, die sich Gottes wegen auf den Nâchsten richten. Die unter 1. und 2. zusammengefaBten llandlungcn sind die eigentlichen Akte der Religion, die korperlichen frciiich nur sekundâr (in lib. Boethii De Trin. 3, 2), aber doch notig, weil das menschliche Gcmüt die Fiihrung durch Sinnenfâlliges braucht (2 II 81, 7). Am meisten beanspruchen die inneren religiôsen Akte unser Intéresse. Hierher gehort vor allem die devotio, die von Thomas der erste, hauptsàchliche Akt der Religion genannt wird, nôtig für alie folgenden (2 II 83, 15: 104, 3 ad i). Thomas bestimmt die devotio als einen Akt des Willens, in dem der Mensch sich selbst Gott zu seineni Dienste anbietet (2 II 82, 56 ·; A, 'I ad ι), dann wieder als den Willen.sich prompt dem zu widmen, was zum PV Dienste Gottes gehôrt (2 II 81, 1). Es tun und es bereitwillig tun, gehôrt aber zur gleichen Tugend, darum ist die devotio ein Akt der religio (2 II 82, 2). Ein weiterer eigentlicher (und zunâchst innerer) Akt der religio ist das t Gebet, Durch dieses erweist man Gott die Ehre, indem man sich ihm unterwirft und betend, bekennt, daO man seiner als des Urhebers aller Güter bedarf (2 II 83, 3). Zwar ist das Gebet Sache des Intellekts, die religio aber eine Willenstugend. Aber die religio ordnet ja auch die Akte anderer Potenzen auf die reverentia gegen Gott hin; da der Intellekt dem Willen verwandter ist als andere Potenzen, hat das Gebet einen Vorrang vor diesen Akten (2 II, 83, 3 ad 1). 1 An die devotio und das Gebet schlieBen sich die àuBeren Akte der religio (2 II 122, 4). B. Die Problematik dieser Lehre von der religio. Mit Thomas von Aquin faOt die moraltheologische Tradition die religio als die Tugend der religiôsen Kultakte, insofern diese nicht einfach Ausdruck der religiôsen Gottbegegnung sind, sondern dem Herrn als ein geschuldetes Werk dargeboten wcrden.1 Ein solcher Sprachgebrauch ist durchaus môglîch, setzt aber die Beantwortung der Frage voraus, was denn die religiose Grundgesinnung ist, aus der unsere eigentlichen, auf Gott selbst gerichteten religiôsen Akte hervorgehen. Thomas von Aquin hatte als Antwort wohl L auf die theologischen Tugenden verwiesen. Glaubend, hoffend, liebend F begegnet.der Christ seinem Gott. Aber dann ergeben sich die weitcren Fragen: L a) Was ersetzt bei den ungetauften Menschen, die doch auch Kultakte verjf richten, ohne über die christlichen theologischen Tugenden zu verfügen, F die letzteren, bzw. derenAkte? Auch der Kult derHeiden setzt doch ein > eigentliches religiôses Erlebnis, irgendein attingere Deum (freilich bloB im Rahmen der natürlichen menschlichen Kràfte) voraus. Es ist wohl kein * Zufall, daB diese Frage unseres Wissens von Thomas nicht gestellt wird. !, b) Beim Christen selbst: Glauben, Hoffen und Lieben sind an sich wohl L. Akte der personalen Begegnung, aber nicht wesentliche religiose Akte. K? Was ist die natürliche, bewuBtseinsmâBige Komponentc, die in Auswirkung Γ der gôttlichen Tugenden deren Akte als religiose erscheinen lâBt ? Welches r sind sozusagen die natürlichen Erlebnisbahnen, in denen die Akte der überû . natürlichen theologischen Tugenden als religiose Akte ablaufen ? ». Darauf erhalten wir vom hl. Thomas keinen ausdrücklichen Bescheid, ■P ' wenn diese Antwort auch implicite in manchen seiner Texte angedeutet f scheint. Ehe wir darauf eingehen, lohnt es sich zu untersuchen, warum fc diese Frage für Thomas nicht in dasBlickfeld seines sonst so umfassenden fc·.. und ieinsinnigen theologischen Interesses tritt. K Wir sehen den Grund vor allem in der Übernahme des aristotelischen F Tugendschemas, das nach den Kardinaltugenden gegliedert ist, und dem 7#·. (· 67 -V? s Thomas die drei gôttlichen Tugenden vorgeordnet hat. Diese Hereinnahme der aristotelischen Ethik ist von grôflter Bedeutung .für die katholische Moraltheologie geworden. Thomas ist dadurch keinem ethischen Naturalismus verfallen, lehrt cr ja geradezu, daB für die theologische Betrachtung erst da etwas Tugend sei, wo die caritas als forma virtutum wirksam wird (2 II 23, 7) ; aber es konnte doch der personalistische und theozentrische Charakter der christlichen Ethik nicht durch die einfache Vorordnung der theologischenTugenden gewahrleistet werden,ohne daB es an den ,,Nahtstellen", im Verhaltnis dieser drei theologischen Tugenden zum aristote­ lischen Tugendsystem zu Unklarheiten kame. Zunâchst ist es an sich schon schwer, auf dem Boden der aristotelischen Ethik zur Erkenntnis und Würdigung der natürlichen Religiositât zu kommen. Die aristotelische Ethik ist im wesentlichen anthropozentrisch, sieht in der Vollendung und im Glück des Einzelnen ihr Ziel. Sie verkennt nicht die Bedeutung des Religiosen ; aber dieses spielt weder in der Lehre des Aristoteles vom Wesen der Tugend noch in seinem Tugendsystem eine groBe Rolle. Die Religiositât als personale Begegnung mit Gott konnte schon wegen des mangelhaften antiken Gottesbegriffes nicht in ihrem We­ sen und in ihrer Bedeutung erfaBt werden. Man braucht, um das zu erkennen, nur die von Thomas (2 II 81, 1 sed contra) zitierte Definition Ciceros zu betrachten: Die Religion ist die Tugend, die einer hoheren, sogenannten gôttlichen Natur (superioris cuiusdam naturae, quam divinam vocant) dient und Ehrung erweist (Rhetor. II, De invent, ca. fin.). So konnte das antike Bcgriffsmaterial zur Darstellung der sittlich-religiosen Gesinnungsgehalte einer christlichen Ethik nicht ausreichen. Ein Blick auf den Wesenskern des religiosen Aktes lehrt ja die Unmôglichkeit, diesen der Gerechtigkeit ein- und unterzuordnen. Das bat Thomas wohl gefühlt, hat die religio nur als Tugend der Kultakte betrachtet und dem eigentlich religiosen Akte lediglich im Bereich der theologischen Tugenden seine Beachtung geschenkt. Die Tatsache, daB die Religiositât im aristotelischen Tugendschema keine den Christen befriedigende Berücksichtigung fand, verführte dazu, zwischen den natürlichen und übernatürlichen Tugenden einfach nach dem Objekt zu unterscheiden. Letztere richteten sich auf einen Gegenstand, der in der aristotelischen Ethik keine entsprechende Behandlung erfahren konnte, auf Gott. Wenn aber das Objekt für den Unterschied zwischen den anderen Tugenden entscheidend war, dann konnte die religio, die nicht einfach mit den theologischen Tugenden identifiziert wurdc, nicht Gott zum Gegen­ stand haben, sondern muBte sich mit dem befassen, was circa finem ist; sie muBte sittliche Tugend sein. Natürlich hat Thomas sehr wohl den wesentlichen UnterscheidungsmaBstab zwischen den theologischen und den natürlichen Tugenden gekannt: den übernatürlichen bzw. natürlichen Ursprung der einzelnen Tugenden. Die theologischen Tugenden meinen Gott, insofern dieser im übernatür­ lichen Licht des Glaubens erfaBt und in der übernatürlichen Kraft der 58 : 1 1 ■ >.· ·.■ ·... «T < Hoffnung und Liebe erstrebt wird, wahrend die intellektuellen und mora$ lischen Tugenden sich mit dem befassen, was durch die menschliche Natur begriffen werden kann (i II 62, 2). Beide Unterscheidungsmerkmale der Tugenden hâtten nun gekreuzt wer­ den müssen: es gibt hinsichtlich beider Objekte, Gott und zielgerichtetes ;. . Geschôpfliches, natûrliche und übernatürliche Tugenden, und es gibt so:-?■ wohl innerhalb der natürlichen wie der übernatürlichen Tugenden beide ■ Objekte. Thomas hat das aber nur für die eine Seite gelehrt, hat bei den sittlichen Tugenden zwischen eingegossenen und natürlich erworbenen Tugenden unterschieden (1 II 63, 3), bei den theologischen Tugenden lâBt i'.•i er jedoch nur das Objekt als kennzeichnend gelten, das er selbstverstândlich nur in der übernatürlichen Ordnung sieht (quibus ordinamur ad finem su per naturalem : 1 II 62, 3), ohne auch nur zu fragen, ob nicht auch daneben Gott, insofern er der natürlichen Vernunft und Liebe erreichbar ist, Gegenstand einer natürlichen Tugendgesinnung, unserer heutigen Religiositât ?·, sein konne. ■ Nicht nur die Unzulânglichkeit des aristotelischen Tugendschemas verführt den Aquinaten zu dieser Vermengung der beiden Unterscheidungs­ merkmale, sondern auch die etwas schillernde Bedeutung der hier verwandten termini. Die religio berührt, erreicht (attingit) Gott nicht selbst, wie das der Glaube tut (2 II 81, 5). Dieses attingere verblaBt in der Unter1 scheidung der theologischen und sittlichen Tugenden einfach zum „als Gegenstand Intendieren". Sonst aber hat es bei Thomas eine gefülltere, freilich letztlich geheimnisvolle Bedeutung; es bezeichnet die übernatür­ liche Lebensverbindung, in die wir mit Gott durch die Gnade treten, so wie der hl. Thomas auch lehrt, daB durch dié theologischen Tugenden das menschliche Gemüt (mens) Deo conjungitur, mit Gott eine übernatürliche [·. Lebensverbindung eingeht (1 1168, 8; 4 Sent 12, 3, 2, 3, 3 ad 1). Dieses ·, IneinanderflieBen der schlichten ,,Objekts-Bedeutung“ und der tieferen übernatürlichen Bewandtnis des Wortes erlcichterte die Vermengung der beiden Gesichtspunkte in unserem Fall. Die Folge war dann das VerstândV nis der religio als kultische Werktugend, aus deren Bereich der eigentliche ’· religiose Akt der Gottbegegnung ausscheiden muBte. DaB die natürlichen religiosen Akte in unserem Zusammenhang bei Thomas keine Beachtung linden, mag einen weiteren Grund darin besitzen, daB Thomas von einer natürlichen inclinatio (i II 62, 3; 21185,1), ja von einem natürlichen Instinkt (Scg 3, 119) des Menschen gegenüber Gott spricht; dadurch scheint eine natûrliche Tugend überflüssig zu werden. Wahrend der Wille auf Gott als das Objekt unserer übernatürlichen Seligkeit von Natur aus nicht ausreichend hingeordnet ist, besitzt er eine natür. liche Ausrichtung auf Gott, als dem Prinzip und Ziel unserer Natur (1 II 62 Ê»· ad 3). Der eigentümliche Schwebecharakter der übernatürlichen Tugend, . die teils als übernatürliche Potenz, teils als Habitus zu fassen ist, versperrte wohl etwas die Sicht. Einer neuen Potenz zu natürlichen religiosen Akten ' bedurfte es natürlich nicht, wohl aber verlangte die erbsündliche Begier69 >■ lichkeit nach einem Tugendhabitus, der aile natiirlichen religiosen LebensauBerungen ad oboediendum rationi (i II 68, 8) zu ordnen hat. Endlich mag in unserer Frage noch die Auffassung des hl. Thomas vom Verhàltnis der religio zur Geistesgabe der Gottesfurcht die letzte Klarheit verschleiert haben. Gott zu verehren (Deum revereri) ist Sache dieser Gabe; der religio obliegt es, etwas propter divinam reverentiam zu tun; sie ist deshalb auf das donum timoris als auf etwas ihr Vorgeordnetes ausgerichtet (2 II 81, 2 ad 1). Nun unterscheiden sich abei nach der sonstigen Lehre des Aquinaten die Gaben von den Tugenden nicht nach Akten und Objekten, sondern nach dem Modus des Tatigseins (1 II 68, 2 ad 1). Die Tu­ genden vervollkominnen den Menschen, insofern dieser von seinem eigenen Geiste bewegt ist, die dona, insoweit er von Gott bewegt wird (1 II 68, 1). Also hatte Thomas trotz des donum timoris einen natiirlichen Tugendakt des Deum revereri annehmen kônnen ; die Aufgabenbestimmung fiir das donum timoris hatte ihn geradezu darauf hingewiesen. C. Ansâtze zur Wiirdigung der natiirlichen Religiositat bei Thomas von Aquin. Der cben genanntc Unterschicd zwischen Deum revereri und Handeln propter divinam reverentiam zeigt uns, daB hier ein Ansatz zur Klârung unserer Frage bei Thomas von Aquin gegeben ist. Solcher Ansatzc linden sich mehrere, die in konsequenter Fortfiihrung der Gedanken dazu zwingen, fiir die religio nicht nur die Werkakte des Kultes, sondern auch die unmittelbaren religiosen LebensauBerungen in Anspruch zu nehmen oder neben der religio eine virtus theologica naturalis anzuerkennen. Ob das eine oder das andere, ist eine terminologische Frage; uns geht es hier um den Nachweis, daB die Tatbestânde des religiosen Lebens auch nach den ÂuBerungen des Aquinaten irgendeine Erweiterung des Begriffes der religio verlangen. ie ■;<·■' ,·■. Wir unterscheiden im folgenden a) solche Lehren des hl. Thomas, aus denen sich eine Gott zum Objekt besitzende natiirliche Tugend der Religiositat ergibt.wenn auch Thomas sclbst diese Folgerung nicht gezogen hat, und b) solche ÂuBerungen, in denen direkt von religiosen Akten der Gottbcgegnung, der umnittelbaren Wertantwort auf Gott und nicht nur von kultischen Werkleistungen die Rede ist. ad a) I. Um die religio in das vorgefaBte Tugendschema einbauen zu konnen, bestimmt der hl. Thomas die Kultakte als Objekt der religio, wahrend Gott selbst nicht das Objekt, sondern den finis der religio darstelle. Wir glauben annehmen zu diirfen, daB eine unbefangene, durch keinerlei tugendsystcmatischc Riicksichtcn gebundene Entwicklung der Lchrc von der religio nach den sonstigen Anschauungcn des Aquinaten über das Verhaltnis von Akt, Habitus und Objekt zu einem andcrcn Ergebnis gefiihrt hatte. Wir horen also, das, was ad finem ist, d. h. das, was der Mensch Gott anbietet, indem er ihn verehrt (qu. disp, de virt. I 12 ad 11), soli Objekt der ■ ! * ' i F j £ . i" *. L , r f fc■' ' L·,. f fc· > h * F ’ religio sein. Das aber sind die religiosen Akte der Hingabe (devotio) und des Gebetes, insofern sie eine Gott geschuldete Leistung bedeuten. Objekt des Tugendhabitus der religio sind also seine eigenen Akte. Nun laBt Thomas sonst einen Habitus nicht durch seinen Akt bcstimmt sein, sondern durch das Objekt seiner Akte (vgl. i II 54, 2). Das Objekt dieser Kultakte aber ist Gott; Gott wird angebctet, Gott werden Opfer angeboten usw. Also ist Objekt der Religion Gott. Dafiir spricht auch, daB Thomas es sonst ausdrücklich ablehnt, das, was ad finem ist, als das Objekt anzuerkennen, das einem Habitus seine spezifische Bestimmung verleiht. Der Aquinate lehrt: ,,Die sittlichen Akte und habitus beziehen Namen und species von den Objèkten. Das eigentliche Objekt eines Strebevorgangs ist das Zielgut. Darum wird der Strebevorgang von seinem eigentlichen Ziel (a proprio fine) spezifiziert und benannt” (2 II 19, 3). 1st also Gott der finis der religio, so ist er und nicht die als Mittel dienenden Kultakte eigentliches Objekt der religio und diese ist damit als virtus theologica (naturalis) gekennzeichnet. Das wird noch durch einen anderen Gedankengang des Aquinaten bestatigt, wenn er lehrt: Das Subjekt (wir würden auch hier sagen: Objekt) ver­ halt sich zur Wissenschaft, wie das Objekt zur Potenz oder zum Habitus. Im eigentlichen Sinn wird das Objekt ciner Potenz oder eines Habitus genannt, unter dessen Gesichtspunkt (ratio) ailes auf die Potenz oder den Habitus bezogen ist. Thomas bringt dann das Beispiel der Théologie, die ailes unter der ratio Gott betrachtet, entweder weil es siph um Gott selbst handelt oder um das, was eine Hinordnung auf Gott als auf sein Prinzip und Ziel besitzt (I, 1, 7). So wenig also Thomas bei der Théologie daran dcnkt,das, was ad finem ist, einer eigenen Wissenschaft zuzuschrciben, sondern auch hier den Gesichtspunkt Gottes maBgebend sein lâBt, so wenig kann fur die Tugend der religio das bestimmend sein, was ad finem ist; vielmehr ist der finis, d. h. die excellentia Gottes die ratio formalis für allé religiosen Akte; ausdrücklich lehrt ja der Aquinate: cultus respicit excellentiam Dei, cui reverentia debetur (2 II 81, 3 ad 2). Also ist Gott eigentliches Objekt der religio und aile Kultakte, durch die der Mensch die überragende Würde Gottes und seine Unterwerfung unter diese bezeugt, sind sekundâres Objekt der religio, wie die auf Gott bezogenen Geschôpfe sekundâres Objekt der theologischen Wissenschaft sind. 2. Zum gleichen Ergebnis führt die Parallelitât zwischen caritas und religio, insofern bcide forma virtutum sein kônnen. In der caritas finden sich die ureigenen Akte dieser theologischenTugend, durch die der Mensch schlechthin aüf den liebenswerten Gott antwortet, und Akte, die diese Liebesantwort bckràftigen, z. B. actus misericordiae caritate formati. Ebenso besitzt die religio auBere Akte, die erst durch ihre Intention zu Kult.akten werden, z. B. actus misericordiae religione formati (vgl. 2 II 81, I ad 1). Analog der caritas muB auch die religio Akte besitzen, die nicht .nur im Kult die Unterwerfung und Verehrung bezeugen, sondern diese 61 ► I i ΐ· >■ ■? ‘ i¥· Verehrung selbst als Antwort auf die gôttliche Erhabenheit verwirklichen. Thomas bringt hier ausdrücklich den Verglcich mit der caritas: Das Objekt der Liebe ist das Gute, das Objekt der Ehre ist das Hervorragende (aliquid excellens; 2 II 81, 4 ad 3). Die Folge ist also, wie dieLiebe, die unmittelbare Antwort auf das Gute ist, dieses zum Objekt hat, so muB es auch einen Kult (und ihm entsprechcnd eine Tugend) gcben, der das excellens zum Objekt hat und auf dieses antwortet, das revereri. Ob wir diesen Akt der religio oder einer von ihr verschiedenen Tugend zuschreiben, ist unwesentlich; entscheidend aber ist, daB neben den iibernatiirlichcn theologischen Tugenden eine religiose Grundtugend, eine virtus theologica naturalis acquisita anzunehmen ist. 3. Zu eben derselben Feststellung kommcn wir durch eine Untersuchung der von Thomas angeführten Unterscheidung innerer und auBerer Akte der religio. Der Aquinate kennt actus eliciti der religio, durch die der Mensch allein auf Gott hingeordnet wird, wie Anbetcn, Opfern, und Akte anderer Tugenden, die unter dem Befehl der religio auf die Gottesveiehrung ausgerichtet werden (ili 81, 1 ad 1). Unter den actus eliciti versteht Thomas die inneren Gebets- und Opierakte, denen nach seiner Théologie nicht Gott selbst als Objekt zuzuordnen ist, sondern die Leistung des debitums, die also sozusagen sich selbst Objekt sind. In Wirklichkeit hatte er sachgemaB und im Zug seiner sonstigen Habitus-Lehre so entscheiden müssen: a) actus eliciti, die allein auf Gott ausgerichtet sind, also Akte der religiosen Gottbegegnung, der anbetenden Antwort auf Gottes Erhabenheit und b) actus imperati, innerhalb deren er wiederum hàtte unterteilen müssen I. innere Akte, die nicht als unmittelbarer religioser Lebensausdruck verwirklicht, sondern als Kultwerk gesetzt werden, so wie man ein Vatcrunscr nicht nur einfach als Wort des Kindes an den Vater beten, sondern es auch als Leistung ,,aufopfern“ kann zur BuBe, zur Danksagung usw. — Nur das letztere hat Thomas im Auge, obwohl es doch eindeutig das Sekundare ist. — 2. auBere Akte des Opferns und Betens und die Akte anderer Tugenden, die bewuBt in Beziehung zur Gottesverehrung gesetzt werden. Eine andere Stelle der theologischen Summe erscheint hier noch aufschluBreicher: Thomas untersucht die Frage, waruni auBere Akte zur religio gehoren. Das menschliche Gemüt bedarf zur Vereinigung mit Gott der Führung durch Sinnenfàlliges. Darum bedürfen wir im Kult Gottes auBerer Akte, damit unset Geist angercgt wird zu geistlichen Akten, durch die wir Gott verbunden werden (conjungimur). Die Frage ist, welcher Tugend diese geistigen Akte zuzuordnen sind. Da das conjungere Deo den theologischen Tugenden zugeschrieben wird (1 II<68, 8), denkt man zunàchst an diese. Sagt Thomas ja auch, daB der Kult Gottes vor allem in Akten des Gemütcs besteht, durch die das letz­ tere auf Gott hingeordnet wird, und das seien vornehmlich (praecipue) die Akte der theologischen Tugenden, weshalb Augustin lehre, daB Gott durch Glaubc, Hoffnung und Liebe verehrt werde (in lib. Boethii De Trin. 3, 2). 62 :· Ware diese Auslegung die rechte, so bedeutete sie eine entscheidende Ausweitung der religio zur religiosen Grundtugend, die vor den Kultwerken noch die unmittelbaren natürlichen und übematürlichen religiosen LebensâuBerungen zum Gegenstand besâBe. Will mandas nicht,so muB man neben den theologischen Tugendakten andere religiose innere Akte annehmen (z. B. bei den pagani), durch die analog zu den theologischen Tugenden eine (natiirliche) Gottesvereinigung bewirkt wird, und dementsprechend 1 eine religiose Grundtugend, die nicht nur das Kult-Werk, sondern den unmittelbaren natürlichen religiosen Lebensausdruck zum Akt und Gott zum Objekt hat.1 ' Die Lehre des hl. Thomas zeigt hinsichtlich der religiosen Akte eine gewisse l·'' Unausgeglichenheit, die eben durch das stôrende Einwirken seines Tugend­ schemas bedingt sein dürfte. Manchmal scheint er die Akte der religio auf auBere Kultakte zu beschrànken, wenn er z. B. lehrt, die religio sei nicht mit der fides identisch,sondern eine Bekundung des Glaubens durch gewisse âuBere Zeichen (2 II 94, I ad 1). Dann lehrt er wieder, die religio besitze gewisse innere Akte als ihre eigentlichen und an sich zur religio gehorigen, ■ r‘ SuBere Akte, aber als sekundâre und auf die inneren Akte bezügliche (2 II 81, 7). Es ist nicht anzunehmen, daB hier unter diesen Akten die theologischen Tugendakte zu verstehen sind. Denn diese werden teils als actus imperati der religio bezeichnet: diese hat zur Materie sozusagen , allé Akte wie die des Glaubens oder einer anderen Tugend, die sie Gott als geschuldet anbietet, aber Gott als finis (in lib. Boethii DeTrin.3, 2). Teils erscheinen sie als Ursache der Akte der religio; die religio, die eine gewisse Tatigkeit in Ordnung auf Gott vollbringt, wird von den theologischen Tugenden verursacht, weshalb Augustinus sagt, daB Gott durch Glaube, Hoffnung und Liebe verehrt wird (2 II 81, 5 ad 1). Kennzeichnend für die hier waltende Unklarheit ist, daB an dieser Stelle das Augustinus-Zitat so verstanden wird, als ob die gottlichen Tugenden den Kult verursachen, wâhrend bei der angezogenen Stelle desBoethius-Kommentars die religio als die Tugend erscheint,die Glauben, Hoffen und Lieben als ihre Mittel besitzt. > Wenn also nicht anzunehmen ist, daB unter diesen inneren Akten die theologischen Tugendakte zu verstehen sind, so haben wir in dcr Konsequenz eben primare Akte der religio anzunehmen, die sich auf Gott als unmittelbares Objekt beziehen. Ad b) In den vorausgehenden Darlegungen sehen wir die entscheidenden Grundlagen für die Annahme, daB man entgegen der ausdrücklichen, von der Rücksicht auf sein Tugendschema bestimmten Lehre des hl. Thomas ' in der Konsequenz seiner sonstigen Darlegungen eine natürliche religiose Tugend anzunehmen habe, die Gott direkt zum Objekt hat. Diese unsere Ansicht wird durch einige ÀuBerungen· des Aquinaten gestützt, dic diese direkt auszusprechcn scheinen : I. Thomas bezeichnet die religio u. a. auch als re-cligere Deum (1 II 81, 1), woraus hervorgeht, daB es sich hier um einen Akt der direkten Stellung03 Υ. & .£.■ ■ 4. ·>-■· ■X? nahme zu Gott handelt, also um einen Akt mit Gott als Objekt. An der gleichen Stelle sagt der Aquinate, daB die religio auch benannt wird a religatione, wir miissen Deo principaliter alligari als unserem letztc'n Ziel. Hier ist eindeutig nicht das Gestalten und Darbieten von Kultakten, sondern die Herstellung einer Beziehung zu Gott, ciner Gottesgemeinschaft, Aufgabe der religio5. Bei einer anderen Gelcgcnheit spricht Thomas allerdings wieder ..korrekt" von der religio als einer religatio, die (nicht ad Deum, sondern) ad Dei cultum adstrinxit (in lib. Boeth. De Trin. 3, 2). Des ôfteren wird als Akt der religio ein sich Gott Übergeben genannt, woraus wiederum hervorgeht, daB Gott der eigcntliche Adressât und das eigentliche Objekt des religidsen Aktes ist. Das wird noch deutlicher, wenn dabei die Beziehung zur caritas einerseits als Parallele andererseits als Prinzip gegeben ist. Zur caritas gehôrt es unmittelbar, daB sich der Mensch Gott übergebe, indem er Gott durch eine geistige Einigung anhangt. Sich Gott zu gewissen Werken der Gottesverehrung übergeben, ist unmittelbare Sache der religio, mittelbare Sache der caritas, wcil diese Prinzip der religio ist (2 II 82, 2 ad 1). DaB hier Kultakte formal betrachtet als Endziel erscheinen, um derentwillen man sich Gott übergibt, darf nicht gepreBt werden. Das erhellt gerade aus der Parallele mit der caritas. Man übergibt sich ja nicht Gott, damit man eine Einheit herstelle, sondern indem man sich ihm liebend schenkt, wird diese Einheit schon wesentlich verwirklicht. An anderen Stellen ist von einer Selbsthingabe an Gott bei der religio die Rede. Besonders aufschluBreich ist es, wenn Thomas von einer doppelten adoratio spricht, einer inneren und einer auBeren. Von der inneren heiBt es, daB sie in interiori mentis devotione bestehc (2 II 84, 2). Es ist nicht anzunehmen, daB dies im reflexiven Sinn gemeint ist, wenn man etwa ein innerlich gesprochenes Vaterunscr Gott als BuBwerk ausdrücklich übergibt; es wird vielmehr als Ausdruck inneren religiosen Erlebens zu fassen sein. 3. Gewôhnlich pflegt Thomas als Gegenstand der religio jene Akte zu nennen, durch die der Mensch Gott seine reverentia bezeugt. Es ist die Frage: Welche Tugend ist der unmittelbare Trager dieser reverentia? Thomas scheint diesen Ausdruck nur im Sinn des Aktes der Ehrfurcht zu verstehen. FaBt man ihn jedoch als die diesen Akten zugrunde liegende Tugend, dann haben wir in der reverentia die gesuchte virtus theologica naturalis vor uns. Denn dieses revereri hat, wie wir sahen, nach der ausdrücklichen Lehre des hl. Thomas Gott selbst zum Gegenstand. Diese Ansicht bringt ihn nur deshalb nicht in Konflikt mit seinem Tugendschema, weil er eben die reverentia nur als Akt und nicht als Tugendhabitus behandelt. Einmal sagt er, daB die reverentia respicit directe personam ex­ cellentem (2 II 104, 2 ad 4). Deutlicher kpnn man diesen Akt wohl nicht mehr als einc persônliche Begegnung mit Gott kennzcichnen, der Gott zum eigentlichen Objekt hat. ·— Ein andermal meint Thomas, zur reveren­ tia divina gehore es, daB wir Gott in einer gewissen geistigen Gemeinschaft fe' 64 jL inhaerieren wollen (2 II 85, 3 ad 1). Auch damit ist doch ein Akt unmittelKt' bar personlicher Beziehung zu Gott angedeutet. 4. An einer Stelle, an der Thomas nicht durch den Zusammenhang zur Rücksicht auf sein Tugendschema gezwungen ist, laBt er auch den Kultakt selbst einmal als direkt gottbezogenen, Gott also zum Objekt besitzenden Akt erscheinen: ,,Von colere sprechen wir, wenn wir durch unsere Werke darauf Eiier verwenden. Auf Gott verwenden wir Eifer, nicht um ihm zu niitzen, sondern, weil wir durch solche Akte proficimus in Deum; und weil wir durch innere Akte direkt Gott intendieren’ (directe in Deum tendimus), deshalb verehren wir durch innere Akte Gott im eigentlichen Sinn” (Scg 3, 119). Es ist eine an sich wenig bedeutende Stelle im ethischen System des hl. Tho­ mas, die wir zu klâren unternommen haben, aber sie betrifft doch eincn für unser praktisches Leben wichtigen Punkt. Wird die religio nur als Kulttugend verstanden und so deutlich gegen die gottlichen Tugenden ab_gegrenzt, so besteht die Gefahr, daB im religidsen Leben des Christen das „Werk” zu sehr im Vordergrund steht und das unmittelbare personliche £ Gottbegegnen, der ..absichtslose" religiose Lebensausdruck zuriickgedrangt · wird. Das aber wkre um der Lauterkeit und der Gesundung unseres religiôssittlichen Lebens willen zu bedauern. Auch würde diese Trennung zwischen religio und übernatürlichen Tugenden es erschweren, die Akte der theolotj'·. gischen Tugenden eben wirklich auch als religiose Akte zu vollziehen, im Glauben z. B. nicht bloB bestimmte Wahrheiten festzuhalten, sondern glaubend Christus, der Wahrheit zu begegnen. Das wird wesentlich erleichtert, wo man die theologischen Tugendakte als übernatürliche Ver$ wirklichung im Rahmen einer natiirlichen religidsen Grundbeziehung und Grundtugend sieht. Es ist sicher nicht gering anzuschlagen, wenn durch eine solche erweiterte, das unmittelbar Religiose mit einbeziehende Sicht „ der religio jener verhangnisvollen MiBdeutung des Verhâltnisses von Natur h und Gnade vorgebeugt wird, die in den beiden zwei aufeinander gefiigte f·' Stockwerke und nicht eine Lebenseinheit im Sinn des Pfropfreises sieht. A nm e r k u ngen 1 Uber den Unterschled des rellgibsen Aktes als LebenskuBerung und als Werk slehe Jo»cf Poacher, Inwendigea Leben in der Werkgefahr. Mûnchen-KralUlng 1040. * VgL Miehad Wittmann, Die Etbik dee Aristotelee. Regensburg 1930, S. IBS !.. 196. * So sagt auch Pater Placidu» Rupprecht OSB., Die Tugend der Religion nach dem helllgen Thomas (Divus Thomae, Freiburg 1931, IX 2, 146—1721, daB es die prirnftre Funktlon der religio eel. die Gemeinechnft mit Gott herzustellen (vgl. 8. 147, 150 urw.): er betont ausdrückllcli die vorbereltcnde Funktlon der religio für das Gnadenleben. Der Geist der Khrfurcht muO schon ror Glaube, Hoffnung und blebe gegeben sein. Das hat mit den eigentlichen Kultakten sunftchst noch nichta su tun (vgl. S. 189). Der Mensch vor Gott 05